Zu DDR-Zeiten habe ich Fachkraft für Pferdezucht gelernt. Ich war ein Jahr Facharbeiter, dann kam die Wende. Der Betrieb wurde abgewickelt und ich war eine der ersten, die arbeitslos wurde 1991. Plötzlich war der Lebensweg nicht mehr vorgezeichnet, wobei ich mir schon damals nicht vorstellen konnte, diesen Beruf bis zur Rente auszuüben. Eine Zeitungsannonce für eine Ausbildung zur Krankenschwester weckte meine Neugierde. Menschen sind auch nur Säugetiere, dachte ich mir, und Krankenschwester sein könnte zu mir passen. Als ich die dreijährige Umschulung beendet hatte, gab es zu viele Krankenschwestern auf dem Markt. Ich wäre gern in eine Klinik gegangen, doch dort wollte man keine Umschülerin; die eigenen Auszubildenden wurden bevorzugt. Dann bin ich verschiedene Stationen durchlaufen: Altenpflege, Kureinrichtungen, Pflegeheime. Schnell habe ich gemerkt, dass Pflegeheim nichts für mich ist. Die dortige Praxis, die tägliche Arbeit, der Umgang mit den Bewohnern, entsprach nicht meiner Vorstellung vom Leben im Alter.
2009 konnte ich in eine Tagespflege hineinschnuppern. Die waren zu der Zeit noch nicht so populär und gut finanziert wie heute. Nach 8 Monaten dachte ich, das ist ausbaufähig, das kann ich auch allein und überlegte, wie mein Weg in diesem Bereich weitergehen könnte. Während einer Fortbildung traf ich eine Dame, die mit einer Tagespflege selbstständig war. Das war neu für mich, aber überaus spannend. Sie gab mir den Kontakt zu einer Unternehmensberaterin, von wo aus immer mehr Kontakte und Verbindungen entstanden, die mich letztendlich zur GSA (Gesellschaft für Struktur und Arbeitsmarktentwicklung) brachten, wo ich mein Konzept entwickelt habe. Gleichzeitig begab ich mich auf die Suche nach einem Gebäude, einem geeigneten Standort, was nicht einfach, aber machbar war. Hinzu kam das Thema Finanzierung. Kaum eine Bank war bereit, mein Vorhaben zu finanzieren. Tagespflege kannten viele nicht, das Risiko war ihnen zu groß. Über diverse Ecken hatte ich dann doch ein Termin bei der Sparkasse, bei einem Berater, der mich persönlich sehen und das Vorhaben einschätzen wollte. Statt einer Woche Überlegungszeit, gab er mir zwei Tage später das OK. Er glaubte an mich und mein Projekt. Das war im Zeitraum 2010/2011. Von der ersten Idee bis zur Eröffnung hat es fast zwei Jahre gedauert. Heute würde das sicherlich alles schneller gehen.
Am 10. September 2012 war „Tag der offenen Tür“ – meine Eröffnungsveranstaltung. Eine Woche danach wurden noch Verschönerungsarbeiten erledigt und dann ging es los. Mit zwei drei Tagesgästen sind wir gestartet. Die Anfangszeit war schwierig. Die Pflegedienste sahen uns als Konkurrenz und wir mussten viel erklären, was genau Tagespflege ist.
Das Aufgabenfeld der sozialen Betreuung läuft unter Freiberuflichkeit. Die Tagespflege ist die Vorstufe vor den Pflegeheimen. Zu uns kommen Menschen, die in der eigenen Häuslichkeit wohnen, den Tag aber gemeinsam bei uns verbringen. Wir nehmen die Mahlzeiten zusammen ein, bieten Beschäftigung und Austausch an. Wir gucken nicht auf die Uhr so wie es in vielen Pflegeheimen leider an der Tagesordnung ist. Es dauert so lange wie es dauert. Wichtig ist uns, dass die Tagesgäste so lange wie möglich selbstständig bleiben.
Große Bedenken hatte ich beim Thema Finanzen. Man sagt ja, die ersten drei Jahre sind die Testphase. Diese muss man überstehen, dann schafft man es auch weiterhin. Oft habe ich mich gefragt, wann geht es endlich los, wann kommt endlich Geld rein. Schwierig, und dadurch manchmal auch mit Bedenken besetzt, war ferner der Umgang mit den Pflegediensten, die mich als Konkurrenz sahen sowie die Zusammenarbeit mit bzw. die Überzeugung der Hausärzte.
Ja, die hatte ich. Zum einen durch die GSA (Gesellschaft für Struktur und Arbeitsmarktentwicklung), zum anderen durch eine Unternehmensberatung, die auf die Beratung von Tagespflegediensten spezialisiert war. Ferner unterstützt uns der Berufsverband BPA in Schwerin bei rechtlichen Belangen und betrieblicher Weiterbildung.
Thema Corona – und wie es weiter gehen soll. Der Aufwand, ein Hygienekonzept zu entwickeln ist einfach zu groß und nur die Hälfte der Tagesgäste betreuen zu können, ist finanziell nicht tragbar. Momentan betreuen wir die Menschen in ihren Häuslichkeiten. Ich möchte entweder ganz oder gar nicht meine Dienste anbieten. Bis nach den Sommerferien müssen wir uns wohl noch gedulden. Dann sollte sich die Regierung mit den Pflegediensten beschäftigen. Noch genieße ich die Ruhe, Zeit für mich zu haben. Weniger Stress mit kranken Mitarbeitern oder deren Kindern. Finanziell sind wir durch den Berufsverband und den Rettungsschirm zum Glück abgesichert. Ich kann meine Mitarbeiter und die Unkosten bezahlen.Thema Corona – und wie es weiter gehen soll. Der Aufwand, ein Hygienekonzept zu entwickeln ist einfach zu groß und nur die Hälfte der Tagesgäste betreuen zu können, ist finanziell nicht tragbar. Momentan betreuen wir die Menschen in ihren Häuslichkeiten. Ich möchte entweder ganz oder gar nicht meine Dienste anbieten. Bis nach den Sommerferien müssen wir uns wohl noch gedulden. Dann sollte sich die Regierung mit den Pflegediensten beschäftigen. Noch genieße ich die Ruhe, Zeit für mich zu haben. Weniger Stress mit kranken Mitarbeitern oder deren Kindern. Finanziell sind wir durch den Berufsverband und den Rettungsschirm zum Glück abgesichert. Ich kann meine Mitarbeiter und die Unkosten bezahlen.
Zunächst bezog ich Arbeitslosengeld I, dann bekam ich den Existenzgründungszuschuss für ein Jahr (hätte ich länger benötigt, denn die Bauphase zog sich lange hin) und für den Umbau des Gebäudes nahm ich einen Kredit auf.
Rückblickend war die Bauphase sehr anstrengend. Erst war ich so euphorisch und konnte mir alles gut vorstellen, doch als immer mehr kam, was repariert bzw. ausgetauscht werden musste (z.B. die Heizungsanlage), war ich doch unsicher, ob die Kosten mich nicht „auffressen“ und ob ich das jemals zurückzahlen kann. Unsicher war ich anfänglich auch, wieviel ich mir als eigenen Verdienst rausnehmen konnte. Mit dem Berater von der Bank hatte ich eine Wette abgeschlossen, dass ich am Ende des ersten Jahres eine schwarze Zahl schreibe. Das habe ich geschafft.
Mein erster großer Erfolg war die Etablierung der ersten Einrichtung in Lötz. Stolz bin ich auf mein Team, das sehr gut harmoniert, beständig ist und gern zur Arbeit kommt. Zum Team gehören auch zwei ehrenamtlich tätige Rentner, die uns super unterstützen. Ein weiterer Erfolg ist die zweite Einrichtung in Demmin, die sofort mit einer Auslastung von 70-80% startete.
Eine große Unterstützung (insbesondere beim Umbau) war mein Mann. Aber auch mein Wille und meine Präsenz haben mir geholfen.
Nein, auf keinen Fall. Ich blicke auch in finanzieller Hinsicht positiv in die Zukunft. Ich frage mich immer öfter, wie möchte ich in Zukunft, im Alter leben. Ich genieße die Freiheiten als Selbstständige.
Ich habe mir bereits ein weiteres Objekt angesehen. Das wird allerdings ein großes Projekt, eine größere Herausforderung. Ich bin jetzt 49. Wenn ich 100 Jahre alt werde, was mache ich noch all die Jahre? Das Konzept Pflegeheim ist keine Option für mich. Ich suche mir ein neues Ziel, an dem ich arbeite.
Reisen ist ein schönes Thema. Wir waren die letzten zwei Jahre viel unterwegs. Eintauchen in andere (Lebens-)Welten, zu sehen, mit wie viel weniger die Menschen viel glücklicher sein können, das möchte ich gern noch öfter erleben. Ich möchte gern mehr geben, Menschen unterstützen, denen es nicht so gut geht wie uns, Dinge nicht einfach wegschmeißen, sondern mehr Nachhaltigkeit und dadurch auch mehr Menschlichkeit (er-)leben.
Ganz wichtig ist für mich das Bauchgefühl, das vielen Menschen leider verloren gegangen ist. Nicht auf den Kopf oder gar auf die Ratschläge anderer Menschen hören, sondern mit sich allein sein, in den eigenen Körper hineinhören und sich fragen: Fühle ich mich wohl bei dem Gedanken? Sofern Zweifel auftreten, ist es nicht das Richtige. Bauchgefühl bzw. Intuition sind meines Erachtens nach sehr wichtig. Und einen Tipp habe ich noch: bitte nicht daran denken, überlegen und nachrechnen, was man sich monatlich an Geld/Einkommen zurücklegen kann. Das ist zu Beginn unwichtig und kommt ganz von allein, wenn man sein Herzensbusiness gefunden hat.
Ja, mit Sicherheit würde ich die gleichen Schritte noch einmal gehen, denn es hat ja alles geklappt.
Ich finde es wichtig, wahrscheinlich weil ich auch eher ein schüchterner Mensch bin, Ruhe zu bewahren, beharrlich und zurückhaltend zu sein. Nicht forsch oder gar arrogant und oberflächlich auftreten, sondern authentisch und ehrlich sein. Man sollte sich nicht verkleiden, im wahrsten Sinne des Wortes, sondern das anziehen, worin man sich wohl fühlt, keine Maske aufsetzen oder eine Rolle spielen, denn das merkt das Gegenüber früher oder später sowieso.
Inzwischen läuft es hauptsächlich über Mund zu Mund Propaganda. Anfänglich habe ich Zeitungsannoncen geschaltet und es gibt auch eine Internetseite, wobei meine Klientel da eher weniger unterwegs ist. Unsere Dienstfahrzeuge sind beschriftet und auch ein Bus der VVG fährt Werbung für uns. Ich betreibe hauptsächlich regionales Marketing, denn unsere Tagesgäste kommen aus der näheren Umgebung. Ferner bin ich bei diversen Plattformen bzw. auf Portalen gelistet, so dass man uns auch darüber findet.
In dem vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Projekt wurden Möglichkeiten entwickelt, wie in der ländlichen Region des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mehr erwerbsfähige Menschen erwerbstätig werden können,