Vor 10 Jahren, als ich 23 Jahre alt war, habe ich mich selbstständig gemacht. Zuvor hatte ich eine Ausbildung zum Hotelfachmann absolviert und Erfahrungen in Kitzbühel gesammelt. Nachdem die Saison zu Ende war, bin ich nach Parchim zurück, weil dort das Brauhaus neu eröffnet und Mitarbeiter gesucht wurden. Meine gute Freundin und Kollegin im Brauhaus und ich stachen schnell aus dem Team ungelernter Kräfte hervor. In den 4-5 Jahren, die wir dort gearbeitet hatten, haben wir den Bekanntheitsgrad des Brauhauses weit erhöht. Oft haben die Gäste weniger vom Brauhaus, sondern mehr vom guten Team gesprochen. Wir wurden mit dem Restaurant oft in Verbindung gebracht, wir wurden angesprochen, wenn es um Reservierungen und größere Feiern ging. Man schätze unseren Service.
n der Zeit lernten wir den damaligen Besitzer des Pizza Express von Waren (Müritz) und Parchim kennen. Er wollte sein Geschäft in Waren (Müritz) schließen, da die damaligen Geschäftsführer es in fünf Jahren nicht geschafft hatten, das Restaurant erfolgreich zu betreiben. Er fragte uns, meine Kollegin aus dem Brauhaus und mich, ob wir es nicht übernehmen wollen. Unser erster Gedanke war: Ne, wir betreiben doch keine Pizza-Bude. Als ich sah, um welches Gebäude es sich handelte, war ich sofort Feuer und Flamme. Es war das Gebäude (damals ein chinesisches Restaurant) neben dem ich während meiner Ausbildung wohnte. Ich kannte die Location, wusste um die gute Aufteilung der Räume. Und da ich schon immer den Gedanken hatte, mich mit einem Restaurant selbstständig zu machen, nahmen wir das Angebot an.
Inspiriert hat mich die Location, die damalige Situation in der Gastronomie (geringe Löhne, Mindestlohn gab es noch nicht, unbequeme Arbeitszeiten) und mein Wunsch, eine qualitativ hochwertigere Gastronomie und besseren Service anzubieten. Und ich wollte mehr Geld verdienen, wollte mir etwas leisten können. Die Gespräche mit den Unternehmensberaterinnen haben mich zusätzlich motiviert.
Die Idee von der Selbstständigkeit hatte ich schon immer. Die Anfrage zur Übernahme des Restaurants 2010 war der perfekte Anstoß, loszulegen. Meine Kollegin aus dem Brauhaus zu überzeugen, mitzumachen, war nicht schwer. Wir waren ein eingespieltes Team und uns beiden gefiel die Art und Weise, wie das Brauhaus geführt wurde überhaupt nicht. Nie haben wir unsere Entscheidung bereut, denn ein halbes Jahr nach unserem Weggang, musste das Brauhaus schließen.
Zu Beginn, als wir zu zweit waren, waren wir eine GbR. Jetzt ist es ein Einzelunternehmen, da meine Partnerin das Unternehmen verlassen hat. Unsere Unternehmensberaterinnen hatten uns vor der Konstellation mit zwei Geschäftsführern gewarnt. Und sie hatten Recht. In den vier gemeinsamen Jahren traten doch unterschiedliche Interessen und dadurch Streitigkeiten zu Tage.
Bezüglich des Aufgabenfeldes sind wir mit dem Liefer- und Abholservice gestartet. Das Restaurant wurde nicht richtig genutzt, nur für größere Familienfeiern. Das hatte mich von Anfang an geärgert. Stück für Stück haben wir das Restaurant verschönert und den „Betrieb“ auch dort aufgenommen.
mir nie und passte nicht zu unserer Ausrichtung. Ich befürchtete, dass die Stammkunden ausbleiben, wenn wir den Namen ändern. Ängste und Bedenken hatte ich hinsichtlich der vielen Änderungen, die im Gastgewerbe auf uns zukamen, wie z.B. die Einführung des Mindestlohns oder die Anforderungen der Finanzämter an das Kassensystem. Meine größte Angst ist nach wie vor, dass ich Fehler bei der Buchhaltung mache, das Finanzamt prüfen kommt (es gibt ja so viel zu Bedenken: Fahrtenbuch, Trinkgelder, Genossenschaften, Konzessionen …) und ich eine große Summe zahlen muss.
Ja, wir hatte eine sehr gute Unterstützung durch die Agentur für Arbeit und zwei Unternehmensberaterinnen, bei denen wir zum einen das Gründungsseminar absolviert haben, die uns zum anderen jedoch auch viel Mut machten, Hinweise und Steuertipps gaben und uns immer wieder motivierten. Eine freundschaftliche, aber sehr wertvolle Unterstützung haben wir durch den ehemaligen Besitzer und Verkäufer des Restaurants erfahren. Er hat uns drei Wochen lang täglich im Restaurant begleitet, uns gezeigt wie man Pizzateig bäckt, wie die gesamten Abläufe in einer Gastwirtschaft vonstattengehen. Wir haben nach wir vor ein freundschaftliches Verhältnis zueinander und er glaubt oftmals nicht, welchen Umsatz wir generieren und was wir aus dem Pizza Express gemacht haben.
Mit der Namensänderung haben wir auch unser Konzept geändert. Inspiriert vom großen Trend Vegetarismus/Veganismus stellen wir unser Angebot um. Wir setzen neue Gerichte auf die Speisekarte und kreieren neue Produkte, wie z.B. unser hauseigenes Dressing (LENK´S Salatbalsam), den Kokosmilchreis oder viele verschiedene Suppen und Currys. Das Dressing füllen wir in Flaschen ab, so dass die Gäste es mitnehmen bzw. beim Lieferservice in unserem Onlineshop mitbestellen können. Gleiches haben wir mit dem Kokosmilchreis, einigen Suppen und Currys vor. Den Namen für das LENK´S Salatbalsam haben wir uns bereits schützen lassen. Für die neueren Produkte steht das noch aus. Eine weitere Idee ist, eine Pizza zum zu Hause fertigbacken, sollte der Kunde zu weit weg für unseren Lieferservice wohnen.
Wir haben für ein Jahr den Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit bekommen. Die Summe setze sich aus 60% des letzten Nettoverdienstes plus 300 Euro für Versicherungsleistungen zusammen. Das hat uns die Angst vor der Selbstständigkeit genommen. Wir wussten, wir sind zunächst für ein Jahr abgesichert.
Bis auf 10.000 Euro vom Landesförderinstitut, die wir für den Kauf des Unternehmens benötigten, haben wir nie einen Kredit aufgenommen. Wir haben investiert, wenn Geld übrig war, haben sehr viel in Eigenleistung sowie mit Unterstützung von Freunden und Familie bewerkstelligt.
Ja, es gab Unsicherheiten. Ich habe mich des Öfteren gefragt, ob das der richtige Schritt war und wie wir das alles bewältigen sollen/können: Wie werden wir bekannt? Wie können wir beste Qualität bieten und schnell in der Auslieferung sein?
An eine Situation erinnere ich mich noch genau: Es war Dezember, kalt, nass und dunkel draußen und wir sind durch die Straßen gezogen und haben Flyer für den Pizza Express verteilt. Der Anblick all der Spaß habenden jungen Leute in den anderen Restaurants versetzte mir einen Stich. Ich fragte mich, ob sich das lohnt, was ich gerade mache und ob wir da wirklich auch hinkommen.
Unsicherheiten gab und gibt es immer wieder mit dem Personal. Hat man endlich jemanden gefunden, wird er/sie krank. Besonders im zweiten Jahr hatten wir diese Probleme. Wir hatten oft auf die falschen Leute gesetzt. Und ich fragte mich: Soll das in 5-10 Jahren immer noch so sein? Das wäre furchtbar und nicht mein Ziel.
Herausfordernd war unter anderem die Einführung der elektronischen Kassenübertragung. Es kam zu Fehlinvestitionen, z.B. in eine kleine „Klimperkasse“, was wir dann als Lehrgeld verbuchten.
Eine weitere Herausforderung war die Einführung des Mindestlohns. Angestellte, die länger im Unternehmen waren, bekamen mehr, Schüler, die ungelernt ihren Nebenjob bei uns machten, bekamen fast so viel wie die Fachkräfte. Dadurch mussten wir die Preise im Restaurant erhöhen und sorgten uns, ob die Gäste es mittragen.
Auch war es schwierig, das alteingesessene Personal von Trends, von neuen Produkten und Angeboten zu überzeugen und sie gemeinsam umzusetzen. Mit Sprüchen vom Koch wie „Ich verstehe nicht, wie man für eine Spinat Curry Suppe ins Restaurant gehen kann,“ musste ich umgehen lernen und viel Überzeugungsarbeit leisten.
Stolz bin ich auf 4,6 von 5 Sternen bei Google und auf die persönlichen Rückmeldungen von Gästen. Im ersten Jahr bekamen wir einen Anruf von einem Kunden, der einfach nur mal sagen wollte, wie gut ihm die Pizza geschmeckt hat und der sich dafür bedanken wollte, dass alles so prima geklappt hat, dass es schnell ging und trotzdem lecker war.
Stolz bin ich auf den neuen – meinen eigenen Namen - LENK´S frische Küche. Endlich weg vom Pizza Express. Und ich bin stolz auf unsere eigenen Produkte: nach dem Salatbalsam folgen nun Kokosmilchreis, Suppen und Currys.
Meine Maxime lautet, wenn ich etwas anfange, dann bringe ich es auch zu Ende. Sprüche von der Konkurrenz „Ihr schafft das sowieso nicht. Wir sind die Stärksten hier“ oder „Ohne deine Partnerin in der Buchhaltung wirst du es nicht schaffen“ haben mich angespornt. Ich habe mich in alle Themen reingekniet, das Unternehmen so geführt, wie ich es wollte. Der Erfolg bestätigt mir meinen richtigen Weg Tag für Tag.
Gibt es Themen, in denen ich mich nicht auskenne, hole ich mir professionelle Unterstützung und Beratung. Sei es bei einem guten Kassensystem-Anbieter oder einer guten Steuerberatung.
Und was mich bei jeder Herausforderung motiviert und zum Weitermachen anspornt, ist das durchweg positive Feedback von unseren Gästen und Stammkunden.
Manchmal, wenn ich meine Arbeitsstunden am Ende des Monats zusammenzähle, denke ich mir, als Angestellter hat man es doch leichter: mindestens 24 Tage Urlaub; wenn man krank ist, braucht man sich um nichts Gedanken machen … Das wären die einzigen Gründe, warum ich aus meiner Sicht vielleicht lieber Angestellter wäre. Aber nach 10 Jahren könnte ich wohl gar nicht mehr für einen Chef arbeiten. Die Freiheiten der Selbstständigkeit sieht man erst, wenn man sie nicht mehr hat, so wie meine damalige Partnerin auch meinte, die jetzt einen angestellten Job nachgeht. Finanziell geht es mir nach 10 Jahren besser als zu angestellten Zeiten.
Manchmal träume ich davon, dass ein Investor, der hier gerade Urlaub macht, in den Laden kommt, von unserem Konzept begeistert ist und uns eine Beteiligung anbietet. Wenn da einer wäre, der mit Leib und Seele zu uns bzw. hinter unserem Konzept steht und gemeinsam mit uns auf das nächste Level gehen möchte (z.B. weitere Restaurants eröffnen), das wäre ein Traum. Allein würde ich es wohl nicht wagen. Ich denke nicht, dass man das alleine schafft. Die größte Hürde ist nach wie vor das Personal, das man nicht mehr so einfach findet. Mein aktuelles Ziel ist die eigene Produktlinie, die dann vielleicht im Einzelhandel verkauft wird.
Mit Ende 30/Anfang 40 möchte ich ruhiger und weniger arbeiten. Ich möchte als Chef ins Geschäft kommen, nach dem Rechten sehen, mich um die Mitarbeiter kümmern und sie motivieren. Am liebsten säße ich in fünf Jahren im Büro, von wo ich fünf weitere Restaurants in beliebten Urlaubsregionen betreibe bzw. manage. Die Küche und den Restaurant- bzw. Lieferservice überlasse ich dann gern den Mitarbeitern.
Ich rate jedem, sich ruhig bei den „Großen“ bestimmte Dinge abzugucken. Nicht umsonst sind sie so groß und erfolgreich. Ferne rate ich, sich eine sehr gute Steuerberatung zu suchen, keine Kette, denn dort ist man nur eine Nummer. Und man sollte nicht an Dienstleistungen, die man sich „einkauft“, wie eine Steuerberatung, sparen. Insbesondere in der Gastronomie ist es sehr wichtig, ein gutes Kassensystem zu haben. Außerdem empfehle ich jedem, ein Gründerseminar zu besuchen.
Wir können leider nicht in die Glaskugel schauen. Hätte ich damals gewusst, wie gut alles gelaufen ist, hätte ich gleich zu Beginn einen Kredit aufgenommen und das Restaurant so umgestaltet, wie ich es Stück für Stück über einen längeren Zeitraum gemacht habe. Dann hätten wir eventuell schon früher den Erfolg gehabt und vielleicht wäre es dann nicht zu den Streitigkeiten mit meiner Geschäftspartnerin gekommen.
Und ich hätte definitiv gleich den Namen geändert. Mit Pizza Express konnte ich mich nie identifizieren. Das war einfach nicht mein Stil und die Sorge, dass die Gäste ausbleiben, war unbegründet. Aber das weiß man alles erst hinterher.
Gewissenhaftigkeit in allen Bereichen. Ausdauer, Ehrgeiz und Stärke haben.
Wir müssen keine Kunden finden. Die Kunden finden uns. Wir haben hier in Waren (Müritz) eine kleine Marktlücke gefüllt. Egal ob nach vegan, vegetarisch oder Pizza gegoogelt wird, wir stehen immer an erster Stelle. Die Bandenwerbung am Sportplatz habe ich beispielsweise aufgegeben. Erstens haben wir sehr viel zu tun, zweitens kennen uns die Einheimischen, die auf dem Sportplatz sind und drittens reiche ich die eingesparte Summe lieber an meine Mitarbeiter weiter. Wichtiger als jede Werbung ist für uns, dass die Gäste unser Restaurant glücklich und zufrieden verlassen, eine gute Bewertung abgeben und gern wiederkommen.
In dem vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Projekt wurden Möglichkeiten entwickelt, wie in der ländlichen Region des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mehr erwerbsfähige Menschen erwerbstätig werden können,