Inspirierende Erfolgsgeschichten aus den Regionen mit Ressourcen

Sybille Lewerenz

Wie fing alles an?

Zusammen mit meinem Mann habe ich 22 Jahre lang den Backshop und das Café geführt. Nach der Trennung von meinem Mann wechselte ich von der angestellten Position in die der Geschäftsführerin/Inhaberin. Ich habe das Café übernommen. Dementsprechend war es keine komplette Neugründung, eher ein Weiterführen mit neuen Aufgaben als Geschäftsführerin.

Was hat sie dazu inspiriert, die Firma zu übernehmen?

Inspiration ist vielleicht der falsche Ausdruck. Das Geschäft war mein Leben. Ich wollte nicht, dass das Café zugemacht wird. Es steckte so viel Arbeit und Herzblut drin. Hätte ich den Laden nicht übernommen, hätte mein Mann ihn verkauft und es gäbe ihn womöglich nicht mehr. Das wäre nicht nur für mich, sondern auch für unseren Ort, für die Bewohner und Gäste ein großer Verlust gewesen.

Wann entwickelte sich die Idee?

Ich kann keinen Zeitraum nennen, in dem sich die Idee von einer Übernahme entwickelte. Für mich war immer klar, dass ich das Café übernehme. Von dem Moment an, in dem wir die Trennung beschlossen hatten bzw. schon vorher, denn die Entscheidung, getrennte Wege zu gehen, kommt ja nicht urplötzlich, stand für mich fest, dass ich den Laden weiterführe. Ich habe nicht überlegt, hatte keine Bedenken, Angst oder Unsicherheiten. Ich war mir sicher, dass ich es schaffe, hatte ich doch 22 Jahre lang genau das tagtäglich gemacht.

Welche Unternehmensform haben Sie gewählt und worin besteht das Aufgabenfeld?

Ich habe ein Einzelunternehmen angemeldet. Mein Aufgabenfeld setzt sich aus den verschiedenen Bereichen des Geschäftes zusammen. Wir sind ein Backshop mit einem integrierten Café, in dem wir Frühstück, Mittag und Kaffee anbieten.

Was waren Ihre größten Ängste und Bedenken bei dem Gedanken an Ihre Unternehmensnachfolge?

Ich machte mir Sorgen, dass die Schulden, die ich übernehme, zu hoch sind und ob ich es mir überhaupt leisten kann. Ich habe all die Jahre vorne im Laden gearbeitet, ohne Einblick in den finanziellen und administrativen Bereich zu haben. Ich ahnte, dass es nicht sehr gut um das Geschäft steht, aber dass die Schuldenlast letztendlich so groß war, dass ich dafür einen Kredit aufnehmen musste, das habe ich nicht geahnt. Es war eine schwierige und sehr unsichere Zeit. Ständig kamen neue Rechnungen und Forderungen, die ich bewerkstelligen musste. Zeitweise hatte ich Angst, in ein tiefes Loch zu fallen.

Hatten Sie Unterstützung durch Vereine/Verbände/andere Institutionen?

Ja, die hatte und habe ich. Carmen Baumann von der Unternehmensberatung Baumann war und ist mir eine sehr wichtige Unterstützung im Geschäftlichen und eine sehr wertvolle Freundin im Privaten. Letzteres ist in derartig großen Lebensumbrüchen gleichermaßen bedeutsam. Während sie die Existenzgründungsberatung übernommen hat, gab es eine weitere Beraterin, eine Schuldnerberaterin, die sich um die finanziellen Belange gekümmert hat. Eine Beratung, um den IST-Stand, die Ausgangssituation zu kennen und eine Beratung für die Neugründung.

Was ist das wichtigste, an dem Sie gerade arbeiten und wie soll es gelingen?

Das Wichtigste ist, die Corona Zeit zu überstehen. Wir sind auf der Suche nach neuen Angeboten, mit denen wir unser Portfolio und unseren Service erweitern können. Außerdem vergrößern wir momentan den Gastraum, der früher ein Ausbildungsraum für Bäckereimaschinen war. Gerade im Hinblick auf die Sicherheitsvorkehrungen und Auflagen während der Corona-Lockdown-Lockerungen ist genügend Abstand zwischen den Gästen notwendig.

Thema Finanzierung: Welchen Quellen standen Ihnen bei der Übernahme zur Verfügung?

Ich habe einen Kredit aufgenommen, um die Schulden begleichen zu können. Andere Quellen zur finanziellen Unterstützung standen mir nicht zur Verfügung.

Wenn Sie heute zurückblicken, was waren die Herausforderungen, die Sie vor oder während Ihrer Übernahme bewältigen mussten?

Alle ehemaligen Angestellten sind sozusagen mit meinem Ex-Mann gegangen. Es war sehr schwer, überhaupt Personal zu finden. Ich musste zwei Mitarbeiter wieder entlassen. Letztendlich habe ich es geschafft, ein neues und funktionierendes Team aufzubauen. Hart war auch, den Winter zu überstehen. Ich hatte keinerlei Geschäftsführungserfahrungen und keine Rücklagen. Und als der Winter vorbei war, kam Corona.

Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz, was waren Ihre größten Erfolge?

Stolz bin ich darauf, dass ich mich getraut habe, diesen Weg zu gehen. Stolz bin ich auf das, was ich in diesem einem Jahr geschafft habe: Sei es die Neugestaltung des Eingangsbereiches, unser Aushängeschild direkt an der Bundestraße sozusagen oder das Neuordnen, Aufräumen und Entleeren im Innenbereich. So wurde zum Beispiel die ehemalige Werkstatt komplett geräumt. Heute befindet sich dort mein Kühlbereich.
Außerdem bin ich stolz auf mein Team, das ich zusammengestellt habe, das sich aufeinander eingestellt hat und gemeinsam mit mir an einem Strang zieht.

Wie haben Sie die Herausforderungen (wenn es denn welche gab) gemeistert?

Wie bereits oben erwähnt, war mir Carmen Baumann eine sehr große Stütze, insbesondere auch als Freundin, denn nicht immer sind es nur die geschäftlichen Probleme, die ein umtreiben und Sorgen bereiten. Eine gute Freundin wie sie, mein Fels in der Brandung, war und ist in diesen Momenten Gold wert. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.

Sie sind jetzt Ihre eigene Chefin. Käme ein Dasein als Angestellte überhaupt noch in Frage?

Ich glaube, das könnte ich gar nicht mehr. Die letzten 22 Jahre war ich letztendlich ja auch „selbstständig“, habe den Laden allein gewuppt.

Was sind ihre Ziele als Unternehmerin?

Ich wünsche mir, dass ich alles so weiterführen kann wie es momentan ist. Ich muss keine Million verdienen, aber so viel, dass ich damit gut auskomme, gut leben und mir ab und zu auch etwas leisten bzw. gönnen kann. Natürlich möchte ich irgendwann schuldenfrei sein. Die offenen Rechnungen und Förderungen aus der Zeit vor meiner Übernahme sind beglichen, doch auf dem Gebäude liegt noch ein Kredit. Wenn ich das irgendwann mein Eigen nennen kann, bin ich zufrieden.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Hier. In fünf Jahren ist der Gastraum fertig und ich habe mir Sicherheiten zurückgelegt, um stress- und sorgenfreier leben zu können. Ich bin gesund und zufrieden, freue mich über mein gut laufendes Geschäft und Team und genieße das Leben.

Welche Tipps würden Sie Menschen geben, die sich mit dem Gedanken beschäftigen, ein Unternehmen zu gründen?

Man muss von seiner Idee, von seiner Sache überzeugt sein. Ich war es. Für mich gab es keinen anderen Weg, auch wenn die Unternehmensberaterin und Freundin anfänglich einen anderen Rat an mich hatte. Dazu gehört auch Mut sowie Vertrauen in sich selbst. Das Herz muss für die Selbstständigkeit schlagen.

Angenommen, Sie stünden jetzt vor der Gründung, würden Sie nochmal den gleichen Weg einschlagen?

Im Großen und Ganzen ja, jedoch mit einigen Abstrichen. Im Nachhinein hätte ich meinem Ex-Mann nicht die Schulden „abkaufen“ und ihm eher die Suppe auslöffeln lassen sollen. Leider waren nicht alle finanziellen/steuerlichen Beratungen korrekt. Hier hätte ich mir, vom heutigen Standpunkt aus gesehen, besser eine weitere Meinung/Begutachtung einholen sollen.

Welche Charaktereigenschaften sind ein absolutes Muss, um sich als selbständige Unternehmerin behaupten zu können?

Durchhaltevermögen, Willenskraft und (Selbst-)Motivation. Stets und ständig dabei sein. Ich mag und kann heute nicht, so etwas geht als Selbstständige nicht. Wichtig ist, sich selbst aber auch das Team motivieren und aufbauen zu können. Und natürlich, ein Team führen zu können.

Wie finden Sie neue Kunden?

Werbung mache ich kaum. Die Außenansicht, die gute Lage an der Hauptstraße ist mein Marketing. Hauptsächlich erfahren neue Kunden über Mund zu Mundpropaganda von unserem Backshop mit Café. Zufriedene Gäste, ob Einheimische oder Durchreisende, sind das wertvollste Aushängeschild.

Regionen mit Ressourcen

Projektträger:
Unternehmensberatung
Carmen Baumann
Projektzeitraum:
1.August 2019 bis 30.April 2021

In dem vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Projekt wurden Möglichkeiten entwickelt, wie in der ländlichen Region des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte mehr erwerbsfähige Menschen erwerbstätig werden können,


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